Er ist ein wahrhaft bemerkenswertes Stehaufmännchen. Nach seinem unrühmlichen Rauswurf als Chefredakteur des|Spiegel|schien Stefan Austs journalistische Karriere so gut wie beendet. Doch schon kurze Zeit später zeigte er sich von dem empfindlichen Tiefschlag schon wieder genesen und meldete sich fröhlich vom Altenteil zurück. Zunächst als Experte und eloquenter Gesprächspartner als die Verfilmung des auf seiner Vorlage basierenden|Bader Meinhof Komplex|in aller Munde war, sodann als Autor verschiedener Bücher, als Co-Moderator eines neuen Polittalks auf Sat. 1 sowie aktuell als Spiritus Rector eines ambitionierten Zeitungsprojekts, das die|WAZ|in der Pipeline hat.|Und natürlich wäre Aust nicht Aust, wenn er den 20. Jahrestag des Mauerfalls sang- und klanglos hätte verstreichen lassen, ohne sich dazu publizistisch geäußert zu haben.|Deutschland, Deutschland|lautet der gewagte Titel seines Buches, mit dem er sich pünktlich zum sechzigjährigen BRD-Jubiläum zu Wort gemeldet hat. Immerhin ist es einzig und alleine seiner journalistischen Spürnase und seinem untrüglichen Instinkt für gute Storys und das richtige Timing zu verdanken, dass von diesem geschichtsträchtigen Ereignis überhaupt Live-Aufnahmen aus der Ostperspektive existieren. „Unser Kamerateam war in der Nacht das einzige der Welt, das unter dem Brandenburger Tor durchging und filmte“, erklärte der damalige Chef von|Spiegel-TV|stolz in einem Interview anlässlich der Buchpräsentation. „Es gibt keine anderen Bilder außer denen von uns.“ Ausgerechnet Aust, der keinen Hehl daraus macht, sich im Vorfeld dieses denkwürdigen Ereignisses allenfalls peripher für die DDR interessiert zu haben, wurde auf diese Weise zum Hauptzeugen ihres Untergangs. „Spiegel TV, das wir damals gerade gegründet hatten, verfügte über sehr gute Reporter und sehr gute Kameraleute“, erinnert er sich. „Und Ich habe mir am Wochenende die Nächte um die Ohren geschlagen, habe in den meisten Fällen das Filmmaterial geschnitten und praktisch jeden Text geschrieben.“|Am Ball bleiben, koste es was es wolle, lautet das Erfolgsrezept von Stefan Aust. Und so kam es, dass er in den entscheidenden Momenten mehr Kamerateams vor Ort hatte als ARD und ZDF zusammen. Dementsprechend konnte er für seine lebendige und gewohnt routiniert geschriebene|Expedition durch die Wendezeit|aus dem Vollen schöpfen. –|Arnold Abstreiter