Lesefalte im Rücken, Schnittkante nachgedunkelt, Henry Blain geht auf die Sechzig zu und arbeitet als Gefängniskoch im Londoner Großknast Strangeways. Allerdings kann er zur Zeit seine Tätigkeit "aus technischen Gründen" nicht ausüben, denn das Gefängnis wurde von einer Meuterei überollt und wird von rund 200 Sträflingen besetzt gehalten.|Henrys Häuschen grenzt mit seinem Garten direkt an die Gefängnismauern, und so muß er mitansehen, wie Wurfgeschosse in Form von Dachziegeln, Abflußrohren und anderem Schrott seine Blumenbeete verwüsten. Mißmutig vermietet er seinen Dachboden und seine Terrasse an Journalisten und Schaulustige, um wenigstens auf diese Art und Weise von seinem Unglück zu profitieren.|Henry ist eigentlich ein sehr lebensfroher Mensch. Lustvoll bringt er der auch nicht mehr ganz jungen Louise die Freuden des Fleisches nahe, rezitiert kenntnisreich aus seinen zahlreichen Shakespeare-Ausgaben und sieht sich mit Begeisterung in das Rampenlicht der Medien gerückt -- erst als Opfer der Meuterei, dann als Verteidiger ihrer Anliegen.|Zu allem Überfluß wird Henry immer wieder von den Gespenstern seiner Vergangenheit heimgesucht. Zwei Ehefrauen und zwei Geliebte hat er bereits im Garten vergraben, die ihn bis in seine Träume verfolgen. Und während seiner langen Tätigkeit als Koch auf zahlreichen Schiffen mißbrauchte er stets die Mägen der Besatzung für seine Experimente -- eine Gewohnheit, die er auch im Gefängnis nicht abgelegt hat. Diese Macht über 1600 Bäuche vermißt er nun schmerzlich.|Der Autor Luc Lang lehrt Ästhetik an der Schule für Schöne Künste in Paris. Da bleiben literarische Anspielungen und kulturkritische Doppelbödigkeiten natürlich nicht aus. Aber keine Angst: Henry Blain und seinem Autor fehlt es trotzdem nicht an Bodenständigkeit. Seine Darstellung der britischen Wirklichkeit unter Thatcher ist treffend, bissig und wie der Nouvel Observateur richtig bemerkt: Es wird "nach Kräften gefressen, gesoffen, gefurzt, gerülpst, gekotzt, geschissen, gebumst". Ein ungewöhnlich deftiger Kriminalroman um eine wunderbar abstruse Hauptfigur.|--Felix Darwin