2. Auflage, Bertelsmann, München, 1999. 448 S. mit Abb., Ln.U. (Mängelexemplar), Der Mann hat Geschichte gemacht. Nicht vielen Journalisten gelingt das. Zwar dürften die heute Dreißigjährigen den Namen des|Stern|-Erfinders Henri Nannen kaum mehr kennen, aber sein Werk ist immer noch ein Begriff. Henri Nannen hat die meinungsbildende Illustrierte in Deutschland zu einer Macht geformt, so wie es nur noch Rudolf Augstein mit dem|Spiegel|für das Format|Nachrichtenmagazin|gelungen ist.|Henri Nannen war ein frecher Hund. Beim berühmten Moskaubesuch Adenauers bleibt er ohne Eintrittskarte fürs Festbankett, schummelt sich dreist trotzdem rein und schreitet zum Fototermin am Ende stolz in der ersten Reihe neben Adenauer und den Sowjetgrößen die Treppe hinab. Man muß nur, das hat er von seinem Vater, dem Kleinstadtpolizisten, gelernt, das entsprechend befugte Gesicht aufsetzen.|Der Mann hatte eine Vergangenheit. Lobesartikel zur Nazikunst hat er geschrieben (da war er junger Kunstkritiker mit abgebrochenem Studium), Kriegsberichte (da flog er in Stukas mit), Heldenheftchen (da sollte die Kriegslust von kleinen Hitlerjungen angestachelt werden): All das war einst aus seiner Feder geflossen. Er es nie geleugnet. Angefeindet wurde er dann von rechts. Weil er die Ostpolitik der Regierung Brandt für richtig gehalten und im|Stern|verteidigt hat.|Er sah gut aus. In jungen Jahren wie ein Filmstar, was ihm bei Frauen Glück gebracht hat. Glück hat er überhaupt viel gehabt, zum Schluß sogar mit seinem Biografen. Hermann Schreiber hätte Nannens Leben leicht zum prall erzählten Schelmenroman aufblasen können. Er hat darauf verzichtet und sich lieber für Genauigkeit entschieden, für skrupulöse Befragung der Zeugen und Dokumente. Aus dem|Stern|-Schöpfer wird damit endgültig eine seriöse Figur der Zeitgeschichte. Nicht vielen Journalisten gelingt das.|--Michael Winteroll